Das Wort „Selbstliebe“ begegnet uns heutzutage beinahe an jeder Ecke: Immer wieder wird darüber erzählt und berichtet. Doch statt Antworten hatte ich anfangs immer mehr Fragen: was ist Selbstliebe? Ist es, mir eine teure Gesichtscreme zu kaufen, die ich schon immer haben wollte? Ist es, mir endlich den besagten Wellnesstag „zu gönnen“ oder vielleicht doch viel mehr ein klares „nein“, das als Wort des Protestes über meine Lippen kommt?
Ich hatte das Gefühl, hier begegneten sich zwei Fremde: Schüchtern, unerwartet, neugierig und doch höflich-distanziert.
Kurz darauf fühlte ich mich total erschlagen. Der Begriff kam mir so groß vor, dass ich nicht wusste: Wo war sein Anfang, wo sein Ende? Kann ich ihn greifen, festhalten, drehen, anschauen und erkunden, bis ich das Gefühl hatte, ihn zu verstehen? Kann ich ihn an der Hand nehmen, mit mir tragen, ihn spüren an Tagen, an welchen ich mich selbst nicht spürte?
Aus der Bedrängnis dieses Begriffs heraus entschied ich, einen großen Schritt zurück zu treten. Abstand zu nehmen, um mich orientieren zu können. Von hier aus hatte ich eine weit klarerer Sicht:
Ich sah, was Selbstliebe NICHT war.
Diese Ansicht schien mir zugänglicher als direkt definieren zu können, welche Punkte für mich hier zutrafen. Ich machte es an dem Gefühl fest, welches sich in mir ausbreitete, wenn ich etwas tat, das mir nicht gut tat. Auch hier durfte ich lernen, ein Bewusstsein zu entwickeln, um überhaupt die Frage beantworten zu können „was tut mir gut?“. Ich stellte sie mir mehrmals am Tag, hängte mir Post-its in die Wohnung, dass ich sie immer wieder lesen konnte, bis die Frage so automatisch kam wie ein neuer Atemzug auf ein Ausatmen.
Okay, langsam kamen Antworten auf die Frage- begleitet wurden diese Antworten jedoch mit der Konfrontation, in sozialen Situationen „anzuecken“: Manchmal, da war es mir lieber, zu Hause zu bleiben. Nicht auf diese Party zu gehen. Die Nachricht nicht zu beantworten. Und mich für etwas anderes zu entscheiden: für mich. Irgendwie ungewohnt, denn: War ich jetzt egoistisch? Kein schönes Gefühl, da es implizieren kann, dass wir uns sozial ausgrenzen, sich jemand von uns abwenden könnte, …
Stopp.
Hier merkte ich zum ersten mal, was Selbstliebe wirklich war: Keine Entscheidung gegen Anderen, sondern eine Entscheidung für mich.
Jemand, der dich ehrlich von Herzen in deinem Prozess unterstützen möchte, wendet sich nicht von dir ab, wenn du gefühlt zum ersten Mal in deinem Leben lernst, für dich selbst zu sorgen. So richtig. Ich meine hinzuhören, nicht auf die Stimmen im Außen, sondern endlich deinem Inneren Gehör schenkst.
Durch diese simple Frage "was tut mir gut" gibst du dir selbst die Chance, deine eigenen Bedürfnisse immer mehr zu spüren. Etwas, mit dem wir erst einmal wieder in Kontakt kommen dürfen, nachdem wir lernten, fast ausschließlich die Bedürfnisse anderer zu befriedigen.
Ich hielt inne und sah mich vor meinem inneren Auge erneut mit dem Begriff „Selbstliebe“ konfrontiert. Ich musste Schlucken. Irgendwie wurde es langsam leichter. Der große, enorme Brocken, wurde deutlich kleiner. Portionierter. Klarer. Okay, von hier aus kann ich weitergehen:
Was Selbstliebe auch nicht ist: Ein Endstadium. Es ist ein fortwährender Prozess, wie ein Tanz. An dem einen Tag fühlst du dich dir selbst näher, an dem anderen Tag ist es für dich leichter, zwei Schritte zurück zu gehen. Wichtig hierbei ist, dass es dir bewusst ist, was passiert. So gelingt es dir auf Dauer immer besser, dich mehr und mehr zu verstehen. Deinen Bedürfnissen zu horchen und neugierig zu sein, wo deine eigenen Grenzen liegen.
Wenn du mich heute fragst, was Selbstliebe für mich bedeutet, würde ich dir folgende Antwort geben: Sie ist weich und liebevoll. Sie fühlt sich an wie ein sanftes Gestreichelt werden, ein berührt-sein. Sie ist weit mehr als eine Handlung, sie ist eine Haltung, die kraftvoll, tragend und wissend ist. Wissend darüber, was dein Wert ist, wissend, wo deine Grenzen liegen um dafür einzustehen, wissend, was du wirklich verdienst und wissend, dass du alles, was du brauchst, in dir trägst. Sie lässt dich frei fühlen.
Stell sie dir als eine gute Freundin vor, die dir in Situationen des Zweifels weiterhilft und dir sagt, was dir entspricht. Die dich nicht verurteilt, sondern dir gut zuredet. Die dich anfeuert, sich mit dir freut wenn du für dich eingestanden bist und deine Grenze beachtet hast. Pflegst du Sie, bekommst du viel Gutes zurück.
Am Ende denke ich, dass dieser „Trend“ der Selbstliebe es auf jeden Fall geschafft hat, Bewusstheit für dieses Thema aufzubauen– etwas, was lange nicht zugänglich war und essentiell für eine gesunde Bezihung zu dir selbst ist. Auf der anderen Seite können Trends schnell, überfordernd und "wuchtig" sein. Nimm dir die Zeit um zu schauen, was Selbstliebe für dich bedeutet. Nimm Abstand, wenn du ihn gerade brauchst, um dich dann dir selbst wieder nähern zu können.
Ich habe dir 5 Fragen zusammengestellt, die dir helfen können zu verstehen, was konkret anders wäre, wenn du Liebe | Fürsorge für dich empfinden würdest: Ich wünsche dir ganz viel Freude mit dir selbst! :)
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